Psych Diver: Desires of the Flesh | Baku Yumemakura
Pogopuschel | Veröffentlicht am |
Okay, ich hätte gewarnt sein müssen. Immerhin heißt das Buch Desires of the Flesh – und dazu dieses Cover. Aber nach der grandiosen Lektüre von Six Four (hier besprochen) habe ich geschaut, was dessen Übersetzer Jonathan Lloyd-Davis sonst noch so aus dem Japanischen übersetzt hat … tja, jeder fängt mal klein an, mit Büchern, die einem später unangenehm sein könnten. Als Übersetzer von zwei Edward-Lee-Romanen weiß ich, wovon ich da spreche. Lloyd-Davis vorher schon Koji Suzukis Edge mitübersetzt hat. Ich dachte, vielleicht ist Psych Diver irgendwie ein schicker Avantgarde-Roman, bekommen habe ich aber was in Richtung von ultrabrutalen und misogynen Animes wie Fist of the North Star, Violence Jack und Urotsukidoji.
Es beginnt direkt mit einer Sexszene zwischen Mann und Frau, in der ihre Nippel »the size of an infant’s finger« haben. Ich weiß gar nicht, wie ich mir das vorstellen soll, und ich will das auch gar nicht. Weiter geht es damit, dass er ihr einen Finger in den Hintern steckt: »it felt like puncturing a boiled tomato«, bevor der Sex dann blutfließend in einen Kampf gegen zwei Angreifer übergeht. Worum es in dem Roman geht, erfahren wir erst ab der Hälfte, bis dahin wechseln sich explizite Sexszenen mit stets willigen Frauen mit Kämpfen ab, und einmal auch mit einer Vergewaltigung, bei der zwischendurch die Frage aufkommt, ob die Frau inzwischen doch willig sei.
Ich dachte auch, der Roman würde in einer postapokalyptischen Zukunft spielen, in der es Magie und Dämonen gibt, immerhin beginnt der Klappentext mit: »In a dark future«. Und so sieht es zunächst auch aus, nachdem unser Pärchen vom Anfang auf eine okkulte Orgie stößt, bei der eine – natürlich nackte – und umgedreht gekreuzigte Frau geopfert wird. Doch dann tauchen irgendwann Student*innen aus Tokyo zum Wandern in den Bergen auf, und werden prompt vergewaltigt und getötet. Nach anfänglichen Schauplätzen in abgelegenen Klöstern stehen die Mönche plötzlich in schicken Anzügen in einer Penthousewohnung in Tokyo. Davon, dass das Buch in der Zukunft spielt, ist nicht viel zu merken.
Und da erfahren wir dann, dass der Psych Diver aus dem Reihentitel in den Verstand eines komatösen Diebes tauchen soll, um herauszufinden, wer mit ihm die Jahrtausende alte Leiche eines alten Mönchs geklaut hat.
Ab hier wird das Buch dann tatsächlich etwas interessanter, weil der Autor viel auf chinesisch-japanische Mythologie und Spiritualität eingeht. Ohne den ganzen Sex-Kram wäre das Buch gar nicht so schlecht, aber auch nur halb so lang, und leider durchdringt die Fixierung auf Sex fast alle Szenen. Selbst wenn einem Gegner die Wange aufgeschlitzt wird, sieht die Wunde aus wie das Geschlechtsteil einer Frau. Apropos Frauen, die sind hier stets lüstern und willig und meist auch nackt. Ständig sind sie hinter den Männern her, die gar nicht so attraktiv sind. Und die Frauen, die es nicht sind, werden regelmäßig entführt und vergewaltigt.
Die Hauptfiguren – alles Männer – wirken wie einem Anime der 80er-Jahre entsprungen. Fuminari ist ein Riese mit an Mutationen ähnelnden Muskeln, Biku ist schlanker Statur mit den Zügen einer wunderschönen Frau, aber auch tödlich. Und Hosuke ist der titelgebende Psych Diver, der aber auch in der realen Welt mit übernatürlichen Fähigkeiten kämpfen kann. Während die Schurken dämonenartige Wesen auffahren, die mittels Blut- und Sexmagie entstehen.
Wie oben schon erwähnt, wem auch heute noch Animes wie Violence Jack und Urotsukidoji gefallen, könnte auch an diesem Buch gefallen finden. Alle anderen sind jetzt gewarnt. Wobei meine Warnung hier schon wieder kontraproduktiv sein könnte, denn wer diesen Text liest, wäre sonst vermutlich gar nicht auf das Buch aufmerksam geworden.
Ach ja, das bricht auch mittendrin nach 200 Seiten ab. Hier wurde einfach ein Roman auf zwei Bände verteilt, die jeweils aber relativ günstig zu haben sind. Laut Wikipedia soll Baku Yumemakura über 20 Millionen Bücher verkauft haben, allerdings bei 280 Veröffentlichungen. Auf Deutsch sind meines Wissens nach nur seine Kollaborationen mit meinem Lieblings-Mangaka Jiro Taniguchi – Gipfel der Götter und Wie hungrige Wölfe – erschienen.
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