Fault Lines | Emily Itami

E-Book-Cover von Emily Itamis »Fault Lines« auf einem Tablet, das die schwarze Silhouette einer Frau von hinten vor der verschwommenen nächtlichen Ansicht Tokios zeigt.

Mizuki ist eine frustrierte Hausfrau mit zwei Kindern und einem Mann verheiratet, der stets abwesend ist, selbst wenn er da ist. Während die Kinder in der Schule sind, gibt Mizuki Expats eine Einführung in japanische Etikette und lernt dabei den Japaner Kiyoshi kennen, mit dem sie eine zunächst platonische Freundschaft eingeht, aus der sich mehr zu entwickeln scheint.

Das Alles wird von Itami sehr geistreich uns smart in einem gerafften Stil erzählt, der mit seinen zahlreichen Erzählrückblenden große Zeiträume abdeckt und nicht streng chronologisch vorangeht. Der Haushalt, die Kinder, die Freundinnen, der neue Schwarm und Mizukis Vergangenheit in New York und als Sängerin, all das wirbelt die Autorin wild, aber trotzdem gekonnt zu einem melancholischen, stimmungsvollen Porträt Tokyos zusammen. Dabei erkundet Mizuki mit Kiyoshi kleine Cafés und Bars abseits der üblichen Sehenswürdigkeiten.

Mizuki ist mit einem Salaryman verheiratet. Und was Emily Itamy hier beschreibt, seine Abwesenheit und Distanziertheit, die Selbstverständlichkeit, mit der er alles von ihr in häuslicher Hinsicht erwartet, aber auch, wie sie sich kümmert, versucht, ihn auf sich aufmerksam zumachen, was er überhaupt nicht registriert, ist genauso, wie es die Frauen in der Doku Salarymen beschreiben (die ich hier besprochen habe).

Emily Itami schreibt ein in Japan spielendes Buch erzählt aus Perspektive einer Japanerin (mit Auslandsjahr in New York), das aber eindeutig für eine nicht-japanische Leserschaft gedacht ist. So gibt es einige Erklärungen zu japanischen Begriffen (was mich, da ich die Sprache gerade lerne, besonders freut), und erklärt auch kulturelle Eigenheiten, die den meisten Ausländern fremd sein dürften (wo stellt man*frau sich z. B. im Aufzug hin?). Was alles wunderbar zum Lokalkolorit beiträgt und für mich kein Nachteil des Buchs darstellt. Denn sie scheint auch eindeutig zu wissen, wovon sie schreibt. Und sie macht das mit dem einfachen Trick, dass Hauptfigur Mizuki sich etwas hinzuverdient, in dem sie Ausländern, die beruflich in Japan sind, die Eigenheiten erklärt, damit diese nicht so viele Menschen vor den Kopf stoßen. Eingeflochten wird es aber immer sehr geschickt und flüssig, so das nie der Eindruck entsteht, hier hätte jetzt der Erklärbär die Party gecrasht.

Die freundschaftliche Affäre mit Kiyoshi ist nur eine kurze Episode in Mizukis Leben, ein kleiner Versuch, aus der eintönigen und unbefriedigenden Routine auszubrechen. Ein Flirt mit der Freiheit aus ihrer Zeit als Sängerin. Doch Fault Lines ist kein Liebesroman, keine Romanze, sondern ein Buch über Begegnungen, von Lebenslinien, die sich kurz überschneiden, ein kleines Beben auslösen und sich dann wieder voneinander entfernen.

Itami versteht es gut, die verschiedenen Aspekte der Rolle, die von Frauen in der japanischen Gesellschaft erwartet wird, herauszuarbeiten, und lässt sie von Mizuki ironisch bis sarkastisch aber auch mit analytischem Blick kommentieren. Trotz aller Frustration und der Melancholie ist Fault Lines mit all den unbequemen Wahrheiten ein über weite Strecken gemütlicher Roman.

Bisher ist Emily Itamis Fault Lines leider nicht auf deutsch erschienen, ich habe das englischsprachige Original gelesen. Für Verlage, die Autorinnen wie Mieko Kawakami oder Sayaka Murata veröffentlichen, würde es gut ins Programm passen. Und falls noch ein Japan affiner Übersetzer gesucht wird …

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