denkenswelt #1: Ein Plädoyer für mehr Lektürevielfalt

Vorweg: Es kann natürlich jede*r lesen was er*sie will, ich möchte niemandem Vorschriften machen oder wegen seines*ihres Lesegeschmacks verurteilen. Trotzdem wünsche ich mir, dass viele Menschen in der Phantastikszene mal über den Tellerrand blicken und ein etwas breiteres Lesespektrum in Betracht ziehen würden.

Jüngste Diskussionen in der Fantasy und in der Science-Fiction-Szene haben mir mal wieder vor Augen geführt, wie engstirnig und konservativ viele in der Szene unterwegs sind. Und wie unflexibel sie in ihren eingefahrenen Denkstrukturen sind, wie sehr sie sich an ihre nostalgisch verklärten Weltbilder klammern.

Man könnte meinen, dass Science-Fiction-Leser*innen der Zukunft und zukünftigen und aktuellen Entwicklungen offen gegenüber stehen. Dass sie eine sich progressiv verändernde Gesellschaft begrüßen würden. Aber weit gefehlt, das ist ein in Teilen stockkonservativer Haufen, der in der Zukunft der Vergangenheit verhaftet bleibt. Von einem Berliner Science-Fiction-Verein weiß ich, das viele Mitglieder überhaupt keine neue Science-Fiction mehr lesen, sondern nur die alten Klassiker, immer und immer wieder. Ein gutes Beispiel dürfte die Intoleranz so mancher Star-Trek-Fans sein, obwohl die Philosophie ihrer Lieblingsserie doch etwas ganz anderes vermittelt.

In der Fantasy scheinen viele ihre Köpfe nur immer weiter in die immergleichen dicken Fantasyepen zu stecken, um das nostalgische und eskapistische Leseerlebnis ihrer Jugendjahre ständig aufs Neue durchleben zu können. Bernhard Hennen sagte einmal sinngemäß dazu, die Leser*innen wollten zwar Neues, aber das dann doch lieber in der vertrauten Form.

Dabei bietet doch gerade die Fantasy unzählige Möglichkeiten, sich mit neuen Gesellschaftsformen abseits der vermeintlichen Normen zu beschäftigen, aktuelle Strömungen aufzugreifen und in extremeren Formen auszuformulieren und durchzuspielen. Die Science Fiction bietet uns die Möglichkeit, aktuelle Entwicklungen und Krisen innovativ anzugehen und mögliche Lösungswege anzubieten, sowie sich auf kommende und absehbare Probleme vorzubereiten.

Abseits ausgetretener Pfade lesen

Um dies alles besser zu verstehen, würde es sicher nicht schaden, auch mal abseits der üblichen und ausgetretenen Genrepfade zu lesen. Damit meine ich zum einen wirklich originelle Bücher aus dem eigenen Genre, aber auch Sachbücher (zu allen möglichen Themen), (Auto-) Biografien, Gesellschaftsromane usw, um die Vielseitigkeit der Welt und der Menschen zu entdecken, Anregungen für neue Denkweisen zu erhalten, und Anlass, mal über das eigene Verhalten und Denken zu reflektieren und auch sich selbst zu hinterfragen. Sich aus der Komfortzone hinauszubegeben. Die eigene Empathiefähigkeit trainieren, sich in andere (ganz fremde) Perspektiven hineinzuversetzen, und nicht immer nur in Figuren, mit denen man sich auf den ersten Blick identifizieren kann.

Lest fremd! Lasst euch auf Neues ein, auf Experimente! Und fühlt euch nicht gleich angegriffen, wenn das eigene Weltbild infrage gestellt wird, wenn Verhaltensweisen hinterfragt werden. Wenn Probleme aufgezeigt und Erfahrungen eingebracht werden.

Das ist auch Ziel von lesenswelt. Die Welt in all ihrer Vielfalt zu erlesen, zu politischen und gesellschaftlichen Themen, aber auch mit offenem und optimistischem Blick in die Welt hinaus, auf andere Länder und Kulturen.

Ein Kommentar

  • Hallo Pogopuschel – wohl Markus, nehme ich an.
    Ich kann dir nur voll zustimmen. Meine Leseexpertise ist mehr die Fantasy, aber auch hier sehe ich in den letzten Jahren sowohl auf Leser- wie Autorenseite eine echte Phantasielosigkeit, die mich so genervt hat, dass ich einen ganz ähnlichen Aufruf wie du geschrieben habe (im März). Ein Grund zum Bloggen und andere, unbekanntere und komplexere Bücher bekannt zu machen 😉
    Habe mich sehr über deinen Artikel gefreut, weil ich ich den Eindruck hatte, dass die meisten Fantasy-Bubbler gar nicht bemerken, wie abgeschottet sie sind …
    Unter: https://edition-ars.de/ueber-was-wir-reden-teil3-die-verlorene-seele-der-fantasy/ mehr zu meinem belebenden Frust 😉
    Viele Grüße aus Stuttgart von David

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