Bullet Train | Kōtarō Isaka
Pogopuschel | Veröffentlicht am |
In diesem Beitrag bespreche ich den Roman Bullet Train von Kōtarō Isaka, gehe aber auch kurz auf die Verfilmung ein und erkläre, warum ich sie für wenig gelungen halte.
Ein Zug voller Killer, eine Tasche voller Geld, ein jugendlicher Psychopath und eine entwischte Schlange – was kann da schon schiefgehen? Zum Glück eine ganze Menge, was für uns Lesende einen großen Spaß bedeutet. Ein Vater versucht, jenen Jugendlichen umzubringen, der seinen Sohn vom Dach und ins Koma gestoßen hat. Zwei Auftragskiller namens Lemon und Fruit sollen den Sohn des oberböswichtigstens und grausamsten Gangsterbosses Japans, nachdem sie ihn mit hohem Bodycount befreit haben, sicher nach Hause zurückbringen, zusammen mit dem Lösegeld. Das soll wiederrum der stets vom Pech verfolgte Nanao alias Ladybug klauen, der sich aber doch immer wieder mit seinem Reaktionsvermögen aus brenzligen Situationen retten kann.
Mit dem Geldkoffer geht es hin und her im Zug, die Leichen stapeln sich und die Lage wird immer verzwickter. Mit dem Zug ist hier der legendäre Shinkansen gemeint, der in diesem Fall von Tokio nach Morioka fährt, und der die Deutsche Bahn zum Schämen in die Ecke schicken müsste.
Ich lese gerade den Länderbericht Japan, in ihrem Essay schreibt eine Literaturwissenschaftlerin, Japans Literatur sei ab den 1990ern immer universaler geworden, weniger originär auf eine rein japanische Leserschaft ausgerichtet, angefangen mit Haruke Murakami. Kōtarō Isaka Vorbilder liegen ziemlich eindeutig bei Quentin Tarantino und seinen Epigonen – ich denke da z. B. an Filme wie Suicide Kings -, mit dem Killerduo, das sich ständig kabbelt, der eine, der immer von dem Kinderbuch Thomas & Friends spricht, der andere lieber von Virginia Woolf; aber auch Jugendlichen, die sich mit Gangstern anlegen. Die ganzen Verstrickungen der Killer unter einander, der Koffer als McGuffin usw.
Dabei steckt in dem Buch mehr, als es auf den ersten Blick scheint und der Film vermuten lässt. Isaka beschäftigt sich viel mit Psychologie, wie Menschen ticken, wie sie sich beeinflussen und manipulieren lassen. Welche Knöpfe gedrückt werden müssen, damit sie tun, was für sie zuvor undenkbar war. Und dankenswerterweise kommt das Buch ohne das ganze Actionbrimborium des Films aus, hat ein eher antiklimaktisches Finale und setzt mehr auf Zufallsbegegnungen, statt alles auf Biegen und Brechen miteinander zu einer epischen Rachegeschichte zu verknüpfen.
Leicht übertrieben ist die Geschichte natürlich doch. Vor allem, wenn kurz vor Schluss noch ein älteres Ehepaar unerwartet auf den Plan tritt. Insgesamt hat mir das Buch Spaß gemacht, es hat zwischendurch aber durchaus ein paar Längen, vor allem in den Dialogen des Killerduos, aber auch bei den Rückblenden zum Prince. Auch wenn es den begrenzten Raum des Zugs effektiv und clever nutzt, verliert die Geschichte zwischenzeitlich ein wenig an Fahrt, kommt aber rechtzeitig wieder in die Gänge.
Bullet Train – Der Film
Der Film ist für mich ein Ärgernis. Die typische Hollywoodisierung einer ausländischen (in diesem Fall japanischen) Vorlage. Auch wenn diese wiederum von Hollywood und insbesondere Quentin Tarantino inspiriert wurde, gibt es so viele unnötige Änderungen. Dass für eine solch aufwendige Produktion ein Star wie Bradt Pitt an Bord geholt wird, kann ich noch verstehen, auch wenn er überhaupt nicht zum Buch-Ladybug passt. Doch es hätten ruhig mehr Rollen mit japanischen Darsteller*innen besetzt werden können. Dazu kommt der Japan-Kitsch, mir dem noch eine Nähe zur Vorlage vorgegaukelt werden soll, der aber nur billige Dekoration in einem Hochglanzprodukt darstellt. Bezeichnend dafür liest The Prince (in der Vorlage ein japanischer Schüler, hier von einer amerikanischen Darstellerin gespielt) kein japanisches Buch, sondern Trevanians Shibumi. Also einen amerikanischen Autor, der Japan völlig verzerrt darstellt und in seinem Werk nicht mit Rassismen spart.
Wo das Buch dezent bleibt, also vor allem in der Action und im Finale, gibt es im Film immer voll auf die Zwölf, ein Riesenspektakel voller Japan-Klischees in Sachen Yakuza und völlig übertriebener Actionszenen. Für sich stehend ist der Film halbwegs unterhaltsam, im Vergleich und Kontext zur Vorlage aber ärgerlich.
Ich habe die englische Übersetzung von Sam Malissa gelesen. Auf Deutsch ist das Buch unter dem gleichen Titel in der Übersetzung von Katja Busson bei Hoffmann und Campe erschienen.
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