Das Museum der Stille | Yoko Ogawa

Taschenbuchausgabe von Yoko Ogawas "Das Museum der Stille", mit dem Cove nach vorne vor anderen Bücher in einem Regal stehend.

Wie die Lektüre eines Romans ausfällt, liegt auch an den Erwartungen. Gehe ich mit falschen oder zumindest anderen Erwartungen an die Geschichte heran, könnte sie enttäuschen, nicht weil es sich um ein schlechtes Buch handelt, sondern weil die eigene Einstellung Schwierigkeiten hat, mit der Realität des Werkes zurechtzukommen.

So zumindest ging es mir mit Das Museum der Stille. Als ich 2020 mit Das Geheimnis der Eulerschen Formel meinen ersten Roman der japanischen Autorin Yoko Ogawa las, beschrieb ich ihn als: wunderbar verschrobene Geschichte über die Schönheit der Zahlen und die Poesie des Alltags.

Und beim Titel Das Museum der Stille erwartete ich auch diese Poesie. Immerhin geht es um einen jungen Mann, der in ein abgelegenes Dorf kommt, um dort für eine ältere Frau das titelgebende Museum aufzubauen. Ein Museum, das Gegenstände der verstorbenen Dorfbewohner*innen sammelt, aufbewahrt, ausstellt und ihre Geschichte erzählt, damit sie nicht vergessen werden.

Doch statt verschrobene Poesie des Alltags, bekam ich stattdessen eine düstere Geschichte in einem entrückt wirkenden Kosmos erzählt, die stellenweise schon an Weird Fiction erinnert.

Ich wurde Opfer meiner eigenen Erwartungen und fand deshalb nur schwer in das Buch mit seiner ganz eigenen Atmosphäre, das nichts erklärt, aber viel erleben lässt. Die Geschichten der Bewohner*innen, deren Gegenstände gesammelt werden, spielen keine große Rolle, werden oft nur knapp am Rande erwähnt. Mehr Fokus liegt auf der Introspektion des namenlosen jungen Protagonisten, der wirkt, als wäre er in einer verwunschenen Welt gelandet, in der es nur die schroffe Alte gibt, das zuvorkommende und rührige Mädchen, der vielseitig talentierte Gärtner und seine haushaltende Frau. Und die wenigen Mönche, die ein Schweigegelübde abgelegt haben und nicht zu Wort kommen.

Doch auch ein Serienmörder treibt sein Unwesen, der seinen weiblichen Opfern die Brustwarzen abschneidet. Und hier wird das Buch im letzten Viertel wirklich schräg und leicht unangenehm, nicht nur, weil unser Protagonist unter Mordverdacht gerät, sondern auch, was das Verhalten der einzelnen Figuren angeht.

Viel mehr will ich nicht über die Geschichte verraten, die durchaus gut geschrieben ist, einen faszinierenden Kosmos mit surrealer Atmosphäre erschafft und mit viel Liebe zum Detail erzählt wird. Mit der ich aber nie so richtig warm wurde, so dass ich über zwei Wochen an dem 350 Seiten langen Buch gelesen habe. Trotzdem werde ich weitere Bücher von Ogawa lesen.

Dieses hier wurde von Ursula Gräfe und Kimiko Nakayama-Ziegler aus dem Japanischen übersetzt.

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