sehenswelt #1: Becoming You und Home

Warum tun Kinder, was sie tun? Wie werden wir zu den Persönlichkeiten, die wir sind? Davon erzählt die Dokumentarserie Becoming You auf AppleTV+ in sechs Episoden. 100 Kinder wurden per Kamera während ihrer frühkindlichen Entwicklung in den ersten 2.000 Tagen ihres Lebens begleitet. Die sechs Folgen sind thematisch gegliedert nach der Frage der eigenen Identität; dem Erlernen von Bewegung; der Fähigkeit, Freundschaften zu schließen und Gefühle zu entwickeln sowie dem Erlernen des Sprechens und des Denkens.

Das alles wurde in wunderschönen Bildern festgehalten, von New York über London bis in die Mongolei, Borneo, Tansania, Tokio, Südafrika uvm. Hier und da wird sicher etwas getrickst, wenn es z. B. darum geht, wirklich die ersten Schritte eines Kindes zu zeigen, oder wie es sich das erste Mal aus eigener Kraft umdreht. Aber das dient der Veranschaulichung und verfehlt seine Wirkung nicht.

Die Doku ist sehr aufwendig gefilmt, klar strukturiert und sehr klug erzählt; arbeitet gut kulturelle Unterschiede heraus, aber auch, was in fast allen Kulturen gleich ist. Direkt in den ersten Minuten dürften nicht wenige Eltern Schnappatmung bekommen, wenn ein Dreijähriger von seinen Eltern erstmals zum Abholen einer Suhi-Bestellung in Tokio losgeschickt wird, und dafür eine beachtliche Strecke mit einigen Straßenüberquerungen zurücklegen muss. Die ersten Schritte zur Selbstständigkeit.

Alles, was Kinder in den ersten 2.000 Tagen ihres Lebens tun, folgt einem bestimmten Zweck. Dahinter steckt oft mehr, als man auf den ersten Blick meint. Fast alles folgt instinktiv. Ich habe keine Kinder, aber ich habe Sozialpädagogik studiert und in einem Kindergarten gearbeitet, müsste das eigentlich noch alles wissen, aber die Dokuserie führt noch mal anschaulich vor Augen, was da alles in dieser Phase passiert, und warum wir uns um vieles, was Kinder tun, keine Sorgen machen brauchen.

Die Serie führt uns um die gesamte Welt, und führt uns vor allem die Gemeinsamkeiten vor Augen, die alle Eltern und Kinder auf der Welt haben, insbesondere, bevor die sozial erlernten Verhaltensweisen eintreten, die uns dann auseinandertreiben und die natürliche Neugierde unterdrücken.

Was für mich aber am wichtigsten war, ist, die gute Laune, die die Serie bei mir von Anfang an ausgelöst hat. Die wunderschönen Bilder, die knuffigen Kinder, die liebevollen Eltern, dazu Olivia Coleman als Erzählerin und der kluge und nachvollziehbare Aufbau der Folgen. Wer demnächst ein Kind bekommt, sollte sich die Serie auf jeden Fall ansehen, da kann man jenseits von Ratgeberliteratur, Vorbereitungskursen und Broschüren viel lernen und mit einem beruhigten Gefühl herausgehen.

Home

Home erzählt von acht verschiedenen originellen Wohnprojekten bzw. alternativen Bauprojekten aus der ganzen Welt. Auf Bali baut eine Designerin ein Haus (eher einen Palast) komplett aus Bambus, das an die Elbenstadt Elvandar in Herr der Ringe erinnert. In Hongkong hat ein Architekt seinen knappen Wohnraum in eine Art Transformer-Apartment umgewandelt, mit vielen Wänden und Geräten, die sich verschieben lassen, so dass aus dem Wohnzimmer ein Arbeitszimmer wird usw. Alles ist in beweglichen Teilen untergebracht, sieht aber trotzdem sehr schick aus, fast wie auf einer Raumstation.

In Indien hat sich eine Architektin ein Traumhaus ganz aus traditionellen Baustoffen mit Hilfe lokaler Kleinunternehmer gebaut, die alles in Handarbeit herstellen, und ein gebogenes Dach geschaffen, das viele für unmöglich hielten. In Schweden hat eine Familie ein Treibhaus um das eigentlich Familienhaus herum errichtet, um in mediterranem Klima zu leben und mehr anbauen zu können. In Chicago renoviert ein Künstler ältere Häuser zu Community-Projekten, von denen das ganze Viertel profitiert. In Maine/USA benutzt ein Künstler alte japanische Holzbrenntechniken, um ein einzigartiges nachhaltiges Haus für seine Familie zu bauen. In Austin Texas belebt ein Science-Fiction-Autor industrielles Brachland neu, um ein Traumhaus in die natürliche Umgebung einzupassen; während das Haus eines Architekten in Kalifornien aus recyceltem Material besteht. Und in Mexiko baut ein amerikanisches Unternehmen Häuser für Obdachlose aus einem riesigen 3D-Drucker.

Dabei erzählt jede Folge aber auch eine ganz persönliche Geschichte. Z. B. vom Verhältnis des schwedischen Ingenieurs zu seinem autistischen Sohn, für den diese Umgebung ideal ist. Das recycelte Haus in Kalifornien wird von Waldbränden bedroht und hat eine spannende Geschichte. Familie spielt in alle Episoden eine wichtige Rolle. Es geht nicht einfach um die architektonischen Details, sondern auch um die Menschen hinter den Ideen und Häusern, wie sie sich ein Heim schaffen, in dem sie ohne schlechtes Gewissen leben.

Wir haben einen Punkt in der Menschheitsgeschichte erreicht, an dem auch den Letzten klar sein sollte, dass es kein endloses Wachstum und keine endlosen Ressourcen gibt. Bausand ist schon längst knapp geworden – der aus der Wüste ist zu fein dafür. Wir brauchen neue nachhaltige Wohnkonzepte, die auf kreative Weise umweltverträgliche und Ressourcen schonende Materialien zum Bauen nutzen.

Das größte Hindernis stellen dabei meist nicht mangelnde Ideen dar, die gibt es zuhauf, sondern die Behörden, die alles verbieten wollen, was aus dem Rahmen fällt, selbst wenn es nachweislich besser funktioniert, wie das bisherige System. Wie z. B. die Wasseraufbereitungsanlage in dem schwedischen Treibhaus, das zu etlichen Gerichtsverfahren geführt hat, weil es ja nicht sein kann, das jemand nicht ans öffentliche Abwassersystem angeschlossen ist, nur weil er es besser kann.

Home (dt. Faszinierende Traumhäuser) zeigt auf, wie das Wohnen der Zukunft mit teils alten Methoden und frischen Ideen nachhaltiger aber nicht weniger komfortabel gestaltet werden kann. So wie bisher kann es angesichts der Klimakrise, der schwindenden Ressourcen und Biodiversität und der Vergiftung unseres Planeten nicht weitergehen. Menschen mit Ideen für Alternativen gibt es, es wird Zeit, dass wir ihnen zuhören und keine Steine mehr in den Weg legen.

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