From Truant to Anime Screenwriter: My Path to “Anohana” and “The Anthem of the Heart” | Mari Okada
Pogopuschel | Veröffentlicht am |
Im Januar 2025 habe ich beim Japanuary mitgemacht. Da schaut sich eine lose Gruppe von Freund*innen des japanischen Kinos jeweils acht Filme an und bespricht sie. Ich hatte mir für dieses Jahr (sehr kurzfristig) vorgenommen, nur Filme von Frauen zu besprechen, konnte das so knapp aber leider nicht einhalten, da es zwar einige Regisseurinnen in Japan gibt, deren Filme bei uns aber nur schwer zu bekommen sind.

Besprochen habe ich Werke von Naomi Kawase, Hikari und der Anime-Regisseurin Naoko Yamada. Mari Okada ist mir leider erst im Februar begegnet, als ich eine Anime-Enzyklopädie übersetzt habe, in der neben Naoko Yamada eben auch Mari Okada ein Kapitel erhalten hat.
Okada gehört zu den produktivsten Anime-Drehbuchautorinnen Japans und hat 2018 mit Maquia – Eine unsterbliche Liebesgeschichte ihr Regie-Debüt abgeliefert. In der Enzyklopädie wurde auch ihre Autobiografie From Truant to Anime Screenwriter: My Path to “Anohana” and “The Anthem of the Heart” erwähnt, die ich sogleich gekauft und gelesen habe.
Die ist im Original 2017 erschienen, auf Englisch 2018, auf Deutsch leider nie. In dem Buch geht es vor allem um ihre Karriere als Drehbuchautorin, da sie ihren ersten eigenen Film erst nach Veröffentlichung gedreht hat.
Das Kapitel in der Anime-Enzyklopädie hat mich schon ein wenig darauf vorbereitet, wie schlimm ihre Kindheit war. Aufgezogen von einer alleinerziehenden Mutter, die ihr wenig Liebe entgegenbrachte, dafür aber viel verbale Erniedrigung und psychische Misshandlung, entwickelte sie sich zur titelgebenden „Truant“. Wörtlich übersetzt heißt das Schulschwänzer*in, was es aber nicht so richtig trifft. Gemeint ist damit der japanische Begriff Hikikomori, also junge Menschen, die sich aus der Welt zurückziehen und kaum noch ihr Zimmer verlassen. Wobei sie keine komplette Hikikomori war, gelegentlich ging sie doch zur Schule und schaffte auch ihren Abschluss und die Aufnahmen an einer Kunsthochschule.
In der Schule wurde sie viel gemobbt und misshandelt. Hatte ein paar wenige Freundinnen, die gelegentlich bei ihr vorbeikamen, aber mit einem Verhältnis, dass sehr kompliziert war, unterschied sich doch das Verhalten der Mädchen ihr gegenüber, je nachdem, ob sie gerade in der Schule waren oder unter sich.
In der auf Konformität getrimmten japanischen Gesellschaft ist Mobbing ein großes Problem. Kaum ein Film oder Roman über die Schulzeit kommt ohne aus. Und teils ist das richtig heftig und brutal, wie zum Beispiel in Mieko Kawakamis Heaven. Vom Allerschlimmsten blieb Okada anscheinend verschont und wusste sich aufgrund ihrer Körpergröße gut zu verteidigen. Dafür musste sie auch zu Hause viel einstecken, was sogar so weit ging, dass ihre Mutter mit einem Küchenmesser auf sie losging. Zum Glück konnte Okada ihre klein gewachsene Mutter überwältigen. Die verbalen Misshandlungen gingen aber weiter.
Dieses schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter zieht sich durch Mari Okadas Werk, das immer irgendwelche autobiografischen Elemente enthält, mal mehr, mal weniger, in unterschiedlichen Phasen der Beziehung zu ihrer Mutter.
The Anthem of the Heart spielt sogar in Okadas Heimatort, das Haus ist ihres, ebenso die Umgebung. Sie hatte ihr Film-Team mit zu ihrer Mutter genommen und die haben das Haus einfach in den Film übernommen.
Okada schildert ihre Kindheit, ihre Arbeitsleben und wie alles miteinander zusammenhängt sehr reflektiert und nüchtern, ganz ohne Vorwürfe. Ich fand hier zum einen interessant, mal die Autobiografie einer japanischen Frau zu lesen, ganz ohne Fiktionalisierung, aber vor allem auch, Einblicke in die Anime-Industrie zu erhalten, und wie sich eine junge Frau dort durchschlägt. Mari Okada muss das richtig gut gemacht haben, angesichts dessen, wie schwer es japanische Frauen im Berufsleben haben. Angefangen hat sie übrigens mit Drehbüchern für Erotikfilme, sich dann aber schnell und beharrlich hochgearbeitet.
Den Rahmen für die Erzählung bildet die Premiere von The Anthem of the Heart in ihrem Heimatort Chichibu, bei der so einige Probleme auftreten, was sie in ihren Selbstzweifeln bestärkt, die sie ihr ganzes Leben begleitet haben und großen Einfluss auf ihre Werke hatte. Trotz ihres Erfolgs wird sie immer wieder vom Impostor-Syndrom heimgesucht. Geht davon aus, dass alles daneben geht. Macht aber trotzdem weiter.
Mich hat diese Autobiografie schwer beeindruckt. Okada schreibt so offen über ihr Leben, macht sich dadurch verwundbar, ist dadurch aber auch unglaublich tapfer. Sie schildert sich aber nie als Opfer, wirft einen sehr analytischen und klugen Blick auf ihr Leben. Der Grat an Intelligenz und Selbstreflexion spiegelt sich auch in ihrem Werk wieder, was wohl auch ein Grund dafür ist, warum sie wo erfolgreich ist.
Hier geht es zu meiner Besprechung von Anthem of the Heart. Weitere ihrer Werke werde ich demnächst noch rezensieren.
Die englische Übersetzung von Kim Morrissy ist bei J-Novel Club erschienen. Ich sollte mal öfters die Verlage würdigen, die solch kostbare und selten übersetzte Bücher veröffentlichen. J-Novel Club bringt sonst vor allem Light Novels.
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